Von 1950 bis 1959 besuchte ich das Städtische mathematisch-naturwissenschaftliche Gymnasium in Wattenscheid. Im Schuljahr 1958/59 war ich 1. Schulsprecher. 

 

Unter dem Vorsitz von Oberstudiendirektor Otto fand am 23. und 24. Februar 1959 die mündliche Reifeprüfung statt. Alle 22 Prüflinge bestanden. Die Namen der Prüflinge sind:

 

Name

Berufswunsch

 

Hans-Otto Beck

Geologe

Bernhard Brandhorst

Dipl.-Kaufmann

Peter von Campenhausen

Hütteningenieur

Hans-Peter Dasbach

Pharmazie

Karlheinz Demuth

Hütteningenieur

Albert Fiege

Dipl.-Maschinenbau-Ingenieur

Ekkehard Friebe

Dipl.-Maschinenbau-Ingenieur

Hermann Hahn

Studienrat

Klaus Homey

Dipl.-Maschinenbau-Ingenieur

Bodo Junge

Chemiker

Hans-Dieter Jungmann

Dipl.-Maschinenbau-Ingenieur

Hellmut Keiter

Physiker

Bernhard Lechleitner

See-Offizier

Manfred Mrohs

Elektro-Ingenieur

Karlheinz Müller

See-Offizier

Arnulf Nawroth

Studienrat

Heinz Ringelband

Architekt

Dietrich Rose

See-Offizier

Jochen Scharf

Architekt

Jürgen Schwarz

Studienrat

Helmut Spielberg

techn. Offizier

Dieter Wolf

See-Offizier


 

Einige meiner Mitschüler

 In der ersten Reihe von links nach rechts:

Jürgen Schwarz, Hellmut Keiter, Hermann Strothkämper, Albert Fiege

 

Von allen Mitschülern hat mich Hellmut Keiter am stärksten beeindruckt, nicht so sehr, was seine guten schulischen Leistungen betraf – da konnte ich sicherlich mithalten, wir waren z. B. die Einzigen aus unserem Jahrgang, die für die Studienstiftung des Deutschen Volkes vorgeschlagen wurden -, sondern wegen seines Klavierspiels und wegen seiner enormen Fähigkeiten im Schachspiel.

Ich besitze noch einen Zeitungsausschnitt aus dem Jahre 1956: Elternabend in der Untersekunda. Darin heißt es u. a.:

„Hellmut Keiter, der beste Pianist der Klasse, wagte es, die g-moll-Ballade von Frédéric Chopin auswendig vorzutragen. Nach der Beendigung des Stückes erhob sich ein wahrer Beifallsorkan, der lange Zeit andauerte und erst dadurch ein Ende fand, dass der Pianist eine Zugabe bot.“

Wir hatten uns aus den Augen verloren, bis ich ihn Ende des Jahres 2006 durch das Internet ausfindig machen konnte. Wir wollten uns nach 45 Jahren zum ersten Mal wieder treffen, und wir hatten auch im Blick, dass sich im Jahre 2009 unser Abitur zum 50. Male jähren würde – eine Gelegenheit, vielleicht doch noch einige Mitschüler aus der Oberprima wiederzusehen und zu erfahren, was denn so aus ihnen geworden war. 

Leider ist es dazu nicht mehr gekommen, weil Prof. em. Dr. rer. nat. Hellmut Keiter am 27. März 2007 verstorben ist.

 

 


 

Im Jahre 1958 wurde ich zum Schulsprecher gewählt. Das hing wohl auch damit zusammen, dass ich flüssig und ohne schriftliche Vorlage zu allen möglichen Themen sprechen konnte.

 

Hier zwei Beispiele:

 

Vortrag in der Obertertia

(mit 14 Jahren!) zu dem Thema (im Anschluss an die Lektüre von Kleists Michael Kohlhaas”):

Ist ein Mensch, dem von einem anderen ein Unrecht zugefügt wird, berechtigt, wenn ihm von Staats wegen sein Recht verweigert wird, dafür zu kämpfen, um es sich zu verschaffen?

 

Nichts ist einem Menschen unwürdiger, als sich ohne Widerstand von einem verantwortungslosen und dunklen Trieben ergebenen Herrscher, wie es doch leider Wenzel von Tronka war, regieren zu lassen.

Für einen Staatsbürger ist es nicht nur Recht, sondern sittliche Pflicht, offenkundige Schäden aufzudecken und zu bekämpfen.

Wenn diese einmal entdeckt sind, dann darf nicht jeder warten, bis der andere mit der Bekämpfung anfängt - dann ist es schon zu spät -, sondern jeder einzelne muss, seiner Verantwortung als Mitglied eines rechtlichen Staates bewusst, in einer Stunde des Unrechts sich wehren, soviel er kann. Denn wir dürfen niemals vergessen, dass ein jeder die Regierung verdient, die er erträgt. Wird dieses Unrecht jedoch als solches erkannt und trotzdem ad acta gelegt, dann gibt man diesen Verbrechern Mut und Gelegenheit weiterzuwirken.

Wenn man das bedenkt, warum soll man sich da nicht regen, warum soll man da dulden, dass diese Machthaber eine Domäne des bürgerlichen Rechts nach der anderen rauben, bis eines Tages nichts, aber auch gar nichts übrigbleibt?

Wenn aber der Mensch nicht mehr den Mut aufbringt, sein Recht zu fordern, wenn sein Geist schon so sehr der Vergewaltigung unterlegen ist, dass er vergisst, dass es Recht und Pflicht ist, dieses System zu beseitigen, dann muss er mit absoluter Notwendigkeit untergehen. In diesem Kampf ist vor keinem Weg, vor keiner Tat zurückzuschrecken, mögen sie auf Gebieten liegen, auf welchen sie wollen.

Es ist eine alte Weisheit, die man Kindern immer wieder aufs neue predigt, dass, wer nicht hören will, fühlen muss. Doch Kohlhaas hörte. Er war noch nicht in einen tödlichen Schlaf versunken, aus dem es kein Erwachen mehr gibt. In ihm schrie schrill im Angesicht einer solchen Tat die Saite seines Gerechtigkeitsgefühls auf, das einer Goldwaage glich.

Diese Tat drang wie ein Notruf an sein Ohr, diesmal Wenzel von Tronka in seinem furchtbaren Wahn entgegenzutreten.

Kohlhaasens Aufgabe war also, die Wahrheit so deutlich und hörbar als möglich ins Land hinauszurufen.

Er hat versucht den Funken des Widerstandes, der ob dieses Unrechts in Tausenden ehrlicher Herzen glomm, anzufachen, dass er hell und mutig loderte. Er hat durch seine mutige Haltung und Hingabe gezeigt, dass es noch nicht aus ist mit der Freiheit und der Gerechtigkeit unter den Menschen.

Einmal musste das Menschliche hochgehalten werden, damit es auch einmal wieder zum Durchbruch kam. Er musste dieses Nein riskieren gegen eine Macht, die sich anmaßend über das Innerste und Heiligste des Menschen stellte. Er musste es tun um des Lebens willen.

Er hat so gehandelt, wie es ihm durch seine innere Stimme geboten war. Er nahm die Folgen auf sich nach dem schönen Wort Gottlieb Fichtes:

Und handeln sollst du so, als hinge

von dir und deinem Tun allein

das Schicksal ab der deutschen Dinge,

und die Verantwortung wär sein.

  


 

Das Schuljahr 1953/54 war für mich ein sehr erfolgreiches Schuljahr. Als Klassenbester wurde ich mit einem Buchpreis ausgezeichnet.

  


  

Rede zur Entlassungsfeier der Abiturienten am 2. 3. 1959

(Diese Rede hat den Unmut meines katholischen Deutschlehrers hervorgerufen.)

 

Es ist kein Zufall, dass gerade im Jahre 1943 von einem bis dahin kaum bekannten Franzosen, einem gewissen Jean Paul Sartre, ein Bühnenstück mit dem Titel “Die Fliegen” erschien. Es ist weiter nicht zufällig, daß in diesem Stück ein Mensch mit Namen “Orest” den großen Schritt ins Freie verkündigt, den Schritt aus dem Trümmerhaufen bürgerlich-christlicher Ideale und Moralwerte in das Niemandsland des Alleinseins mit sich selbst; denn in den ersten Monaten jenes Jahres begann die Götterdämmerung des 3. Reiches und mit ihr unerbittlich die von Nietzsche längst prophezeite Zertrümmerung eines uralten Ideenhimmels.

Diese Entwicklung ist fortgeschritten und hat sich in den Jahren nach dem Krieg noch verstärkt. Auch die heutige Jugend, zu der wir Abiturienten ja gehören, kennt keinen Ideenhimmel über sich, dessen unwandelbaren Ideale es auf Erden zu verwirklichen gilt. Das ist wahr und sicher auch gut so. Nichtsdestoweniger sucht sie nach Leitbildern, aber sie blickt dabei nicht nach oben, sie fragt nach konkreten Menschenbildern hier auf Erden, auch auf die Gefahr hin, der Imitation zu verfallen. Denn diese Vorbilder können einen Menschen nur zu leicht daran hindern, der Mensch zu werden, der zu werden er bestimmt ist. Wenn er zu hoch gegriffen hat, können sie ihn in die Verzweiflung treiben; oder in den Hochmut, wenn er sich einbildet, er werde ihnen ähnlich und immer ähnlicher.

Trotz all dieser Gefahren sind wir Abiturienten für Vorbilder, schon allein deshalb, weil wir es gar nicht vermeiden können, ihnen zu begegnen. Mit jedem einzelnen von uns ist es so eingerichtet, daß er leben lernt, indem er mitlebt und nachlebt, was andere ihm vorleben.

Die ersten Vorbilder für uns waren unsere Eltern. Von ihnen haben wir gelernt, unseren Körper und unseren Geist zu gebrauchen, zu reden und zu schweigen, zu spielen und zu arbeiten. Bei ihnen haben wir den Grundkursus der Menschlichkeit” durchgemacht, vielleicht ohne daß sie und wir es wußten, einfach dadurch, daß wir mit ihnen zusammen lebten. Und ich glaube, daß gerade jetzt, da wir am Ende eines Lebensabschnittes stehen und viele von uns das Elternhaus verlassen wollen, um sich an einer Hochschule oder einer Universität dem freien und ungebundenen Forschen hinzugeben, die Zeit gekommen ist, den Eltern für ihre Opferbereitschaft zu danken. Gewöhnlich macht sich ein Schüler keine Gedanken darüber, welches Maß an Arbeit, Sparsamkeit, Verzicht und Mühen der Eltern dahintersteckt, daß ihm der Besuch der Oberschule ermöglicht wird, daß sein Tisch immer gedeckt ist, daß es an Kleidung nicht mangelt und daß seinen meist nicht wenigen Wünschen Rechnung getragen wird. Keiner sollte es je versäumen, sich daran zu erinnern, wie froh und glücklich es seine Eltern stimmt, wenn er sich ihnen dankbar erweist.

Wie ich aussehe, welche Bewegungen und welche Kleidung zu mir passen, dazu brauche ich keine Vorbilder. Vorbilder brauche ich in den wesentlichen Dingen des Lebens. Ich muß denken lernen, und das Denken erlernt sich eben nur im Nachdenken schon einmal gedachter Gedanken. Ich muß meinen Geschmack suchen und einen eigenen Lebensstil finden. Mein Leben muß einen roten Faden bekommen, einen Generalnenner, von dem aus ich die geistlichen und weltlichen, die persönlichen und die staatsbürgerlichen Entscheidungen fällen kann. Und dazu gehe ich in die Schule bei denen, die ein sicheres Urteil und einen ausgeprägten Stil haben.

Diese feste und unerschütterliche Haltung haben wir bei Ihnen gefunden, meine Herren Studienräte, die Sie uns neun volle Jahre auf dem Weg zum Abitur begleitet haben. Sie haben uns gezeigt, daß die Schule nicht der Ort ist, an dem das Bildungsgut nur auf seinen Nützlichkeitswert für das sogenannte Leben untersucht wird, Wenn Sie es auch nicht ausdrücklich in dieser zugespitzten Form sagten, so war doch eigentlich aus jeder Ihrer Unterrichtsstunden herauszuspüren, daß man die ganze Fülle und Weite dessen, was das menschliche Leben bedeutet und umfaßt, nicht auf einen einzigen Sektor des Lebens einengen darf.

Zwar kann uns ein Lied nicht zur Lebensmeisterung verhelfen, aber es braucht uns. Ungesungen ist es tot, ungesprochen ist das Gedicht vergessen, ungesagt sind Homer und griechisches Denken vergangen, unbedacht bleibt die Mathematikaufgabe ohne Lösung, unbewiesen das physikalische Gesetz ohne Gültigkeit. Daß wir das von Ihnen haben erfahren dürfen, werden wir Ihnen nicht vergessen, da es doch einen wesentlichen Teil unserer Gesamtbildung ausmacht und die Grundlage unseres weiteren Studiums bildet.

Aber mit ganz besonderer Freude darf ich zwei Herren nennen, die wohl am meisten mit den Geschicken unserer Klasse verbunden gewesen sind, Herrn Oberstudienrat Ragsch und Herrn Oberstudienrat Findeisen, denen deshalb auch der Dank in verstärktem Maße gebührt.

Als im Jahre 1954 die beiden Klassenzweige zu einer Klasse vereinigt wurden, da übernahmen Sie, Herr Oberstudienrat Ragsch, die Leitung als Klassenlehrer. Ihnen verdanken wir es, daß die beiden nun doch ein wenig heftig miteinander streitenden Gruppen im Schulleben, aber auch auf Wanderfahrten nach Haus Berge, Ringelstein und Ahrweiler zu einer fröhlichen Gemeinschaft vereint wurde. In den beiden letzten Jahren der Unter- und Oberprima übernahmen Sie dann, Herr Oberstudienrat Findeisen, das Amt des Klassenlehrers. Unter Ihrer Führung und Leitung erlebten wir die Stadt Fulda und die Nordseeinsel Juist, und mit Ihrer menschlich wohlwollenden Hilfe umschifften wir siegreich die Klippen des Abiturs.

Wenn ich den Dank an Sie in einem Satz zusammenfasse, so darf ich sagen: Sie sind uns echte Vorbilder gewesen, Menschen, an deren Wesen und Verhalten uns klar geworden ist, wie das Leben auf eine sinnvolle Weise gelebt werden kann.

Zwar sind wir nicht in eine schwärmende Verehrung für Sie ausgebrochen, aber wir haben Ihnen stets mit gespannter Aufmerksamkeit zugehört und zugesehen. Wenn Sie von uns gefragt wurden, haben Sie keine Antwort gescheut, und ich glaube, daß Sie, Herr Oberstudienrat Findeisen, es uns längst verziehen haben, wenn wir als Lernende, die Ihr Vorbild wirklich ernst genommen haben, dieses immer wieder auf seine Echtheit und Vertrauenswürdigkeit geprüft haben.

Aber diese Vorbildbeziehung zu Ihnen endet mit dem heutigen Tage, nicht weil Sie jetzt weniger vorbildlich wären als früher, sondern weil unser Leben durch Ihre Hilfe in eine neue Bahn gelenkt wurde. Wir brauchen nun neue Meister, die uns auf diesem neuen Wege weiterhelfen können.

Nur einen Meister gibt es, der bleibt, weil er nicht nur ein Vorbild des Lebens, sondern die Quelle des Lebens selbst ist. Nur mit seiner Hilfe und in ständigem Umgang mit ihm werden wir das Ziel erreichen. Er muß bei uns bleiben, oder wir gehen zugrunde. Und das ist darum die letzte Probe auf die Vertrauenswürdigkeit aller irdischen Vorbilder: ob sie uns durch das, was wir sind und tun, hinführen zu Christus.

 


 

Am 7. März 1959 um 19.30 Uhr sollte der Abiturienten-Abschlussball der 22 Abiturienten der Märkischen Schule an der Saarlandstr. in Wattenscheid in der Gaststätte Laarmann in der Weststr. beginnen. Jeder sollte seine Freundin als Tanzpartnerin mitbringen. Aber ich hatte keine Freundin. Was war zu tun?

Ich erinnerte mich: Im Sommer 1958 machten wir unsere Klassenabschlussfahrt nach Juist in eine Jugendherberge. Dort war auch eine Mädchenklasse aus Gladbeck, vielleicht eine Obersekunda oder Unterprima. Von einem der Mädchen besaß ich die Adresse. Ich schrieb sie also an und fragte, ob sie bereit wäre, mit mir auf den Abschlussball zu gehen. Ja, das ginge, aber ich müsste erst ihre Mutter um Erlaubnis fragen. Ich fuhr also mit dem Fahrrad nach Gladbeck, ungefähr 20 km von Wattenscheid entfernt, und bekam von der Mutter die Erlaubnis, ihre Tochter auf den Abschlussball führen zu dürfen.

Dieses Mädchen, dessen Namen ich vergessen habe, kam also mit der Straßenbahn nach Wattenscheid, verbrachte den Abend mit mir im Kreis der übrigen Abiturienten und übernachtete im Kolpinghaus. Am nächsten Morgen holte ich sie ab und brachte sie wieder zur Straßenbahn nach Gladbeck.

Wenig später ging ich zum Studium nach Göttingen und wohnte im ersten Semester in Sudheim, einem kleinen Dorf in der Nähe von Northeim. Mit dem Mädchen aus Gladbeck gab es zunächst eine Brieffreundschaft, die von meiner Seite aus zu einem gefühlsmäßigen Überschwang führte. Ich „schwärmte“ für sie, schrieb ihr Gedichte, dachte oft an sie. Eines Tages, gegen Ende des ersten Semesters, beendete sie schlagartig die Brieffreundschaft.

In einem Anfall von Verzweiflung habe ich alle ihre Briefe und ihr Bild vernichtet und wohl auch ihren Namen aus meinem Gedächtnis gestrichen.

Jetzt nach mehr als 50 Jahren würde ich gerne wissen, ob sie noch lebt.

 

Bisher hat die Suche zu keinem Ergebnis geführt. 

Die ehemaligen Klassenkameraden konnten mir nicht helfen.

Eine Zeitungsanzeige in der WAZ blieb erfolglos.

Mehrere Anfragen bei stayfriends.de führten zu keinem Ergebnis.